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Im Jahr 2016 stellte Tom Anthony im Moz-Blog die Frage, ob die drei Suchintentionen Information (Know), Navigation (Go) und Transaktion (Do) in einer durch intelligente Assistenten geprägten Welt noch Gültigkeit besitzen. Wir haben seinen Ansatz erneut geprüft. Hat die fortschreitende Verbreitung von künstlicher Intelligenz das Suchverhalten der Nutzer verändert? Wenn ja, was bedeutet das für die Content-Optimierung?
Inhaltsverzeichnis
- Subjektive Suchbegriffe sind die Zukunft
- Maschinelles Lernen als Grundlage für die Personalisierung
- Der Kunde möchte das Beste, jetzt, in seiner Nähe
- Im Dialog mit einer Maschine werden Suchbegriffe emotionaler
- Suchintention “Entdeckung”: Die Welt als Bilderbuch
- Fazit: Was Marketing-Experten wissen sollten
Anthony, VP Product der Agentur Distilled, kommt 2016 zu dem Schluss, dass neue, zusätzliche Ansätze für die Content- und Webseiten-Optimierung benötigt werden. Die drei genannten Intentionen seien fürs Web entwickelt worden und unter Berücksichtigung von Siri, Alexa und Cortana nicht mehr ausreichend. Dabei lässt er eine vierte Suchintention außer acht, deren Entwicklung wesentlich relevanter für die KI-basierte Zukunft des Findens ist.
Subjektive Suchbegriffe sind die Zukunft
Sechs Jahre zuvor erwähnt der Mitbegründer von Moz, Rand Fishkin, die kommerzielle Recherche (engl. commercial investigational search, Anm. d. Red.). Fishkin bezieht sich damit auf einen Teil der Kundenreise, der zwischen Information (know) und Transaktion (Do) liegt. Typische Suchbegriffe mit einem hohen Suchvolumen sind “die beste Jeans”, “die besten Geschenke für Männer” oder “die aktuellsten Sneaker”. Der Nutzer weiß bereits, was er will und möchte die Suche nun zuspitzen. “Das beste…” kann in diesem Kontext individuell definiert werden. Die beste Jeans muss etwa der bevorzugten Marke, persönlichen Körperform oder dem eigenen Modebewusstsein entsprechen. Es ist ein subjektiver Suchbegriff und damit prädestiniert für eine intelligente Zukunft.
Maschinelles Lernen als Grundlage für Personalisierung
Damit eine Suchmaschine solchen Anfragen entsprechen kann, muss sie User-Daten wie das bisheriges Suchverhalten oder gar den Aufenthaltsort kennen und verwenden. Darauf basierend müssen wiederkehrende Muster im Nutzerverhalten identifiziert werden. Anschließend wird kalkuliert, mit welcher prozentualen Wahrscheinlichkeit eine Information aus dem Web dieser Handlungsweise entspricht. Inhalte mit einer hohen Prozentzahl werden dann in den Suchergebnissen priorisiert angezeigt. So entstehen personalisierte Suchergebnisse.
Maschinelles Lernen (ML) ist die Grundlage für den eben beschrieben Personalisierungsprozess. Eine Technologie, die in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gemacht hat und heute dabei ist, das Internet zu verändern. Denn obwohl diese Kombination aus Datenwissenschaft und Informatik gerade erst am Anfang ihres Siegeszuges steht, verändert sie schon jetzt die Erwartungshaltung der Kunden. Schließlich ermöglicht ML dem Nutzer das bequeme, schnelle und vor allem persönliche Finden im Web.
Der Kunde möchte das Beste, jetzt, in seiner Nähe
Wer sich auf Google Trends die weltweite Entwicklung des Suchvolumens für investigative Keywords anschaut, bemerkt einen klaren Anstieg über die letzten Jahre. Offenbar wachsen der Wunsch nach personalisierten Suchergebnissen und das Vertrauen in die Suchmaschine, dieses Bedürfnis befriedigen zu können, parallel zueinander.
Investigative Suche ist kein neues Verhalten, doch durch die Weiterentwicklung und den vermehrten Einsatz maschinellen Lernens wird es immer relevanter. Je mehr Plattformen und Webseiten auf Personalisierung setzen, desto wesentlicher werden zur Verfügung stehende Informationen für den Einzelnen. Das Finden im Web wird damit stetig bequemer. Suchergebnisse, Informationen und Produktempfehlungen sollen schnell und passend zum individuellen Mikro-Moment angeboten werden. Die Nutzer lernen, dass die personalisierte Recherche erfolgreich ist. Und erwarten, dass sie den nächsten Schritt in der Evolution der Suche gehen können. Sie möchten das Beste, jetzt, in ihrer Nähe.
Im Dialog mit einer Maschine werden Suchbegriffe emotionaler
Dieser nächste Schritt wird durch sprachgesteuerte Assistenten zum Kinderspiel: 25 Prozent der 16 bis 24-jährigen in den USA suchen via gesprochenen Wort mit ihrem Smartphone. Diese Zahlen stammen von globalwebindex.com und wurden 2016 erhoben. Eine aktuellere Studie vom amerikanischen Start-Up Alpine.ai ergab, dass im Jahr 2018 über eine Milliarde Sprachsuchen pro Monat durchgeführt werden. Es existieren zahlreiche ähnliche Daten von vielen verschiedenen Quellen. Die einheitliche Botschaft: Sprachsuche setzt sich durch und wird geschäfts-strategisch immer relevanter.
„Da Technologie intuitiver wird, verändern Menschen die Art und Weise, wie sie damit umgehen.“ (Sarah Kleinberg, Head of Ads Research and Insights bei Google)
Linguistische Studien, etwa von der Ben Gurion University of the Negev in Israel, belegen zudem, dass sich die Interaktion der Nutzer verändert, wenn Sprachsuche involviert ist. Im Dialog mit einer Maschine werden die Keywords länger, emotionaler und noch persönlicher. Der Tech-Gigant Google gewährt Einblicke in dieses veränderte Verhalten auf seinem Blog “Think with Google”.
Nutzer führen eine Konversation mit dem Google Assistant. Sie stellen gezielte, spezifische und persönlich relevante Fragen. Wie bei der Interaktion mit einem Menschen, verwenden sie verstärkt die Worte “ich”, “mich” und bitten die Maschine um Rat. Im englischen Sprachraum bemerkt das Unternehmen aus Kalifornien einen Anstieg ebensolcher sprachgesteuerten Suchen auf mobilen Geräten (Google Data, U.S., Juli–Dez. 2015 vs. Juli–Dez. 2017):
- „Do I need (brauche ich)“ wuchs über 65%,
- “Should I (soll ich)” stieg ebenfalls über 65% und
- “Can I (kann ich)” ist über 85% gewachsen.
Info-Box: Dialogorientierte Suche in Deutschland
Ein Blick auf Google Trends für den deutschen Sprachraum zeigt, dass dieser Anstieg hier nicht klar belegt werden kann. Das Suchvolumen für “soll ich” und “muss ich” wächst zwar, jedoch nicht signifikant. “Kann ich” verzeichnet sogar eine negative Tendenz. Dafür zeigen ähnliche Anfragen wie “muss ich”, “wie lange…” oder “wie viel” in Deutschland ein klares Wachstum. Der länderspezifische Unterschied könnte z.B. darauf hinweisen, dass die Deutschen die Fähigkeit der Technologie – zufriedenstellende Antworten zu finden – noch nicht als ausreichend einschätzen. Da sprachgesteuerte Geräte zunächst für den englischen Sprachraum entwickelt werden und andere Länder verzögert folgen, kann auch ein technischer Kompetenz-Rückstand vorliegen. Dies würde bedeuten, dass im Laufe der Zeit ähnliche Keywords auch hierzulande relevant werden.
Diese Trends belegen eine Entwicklung von einfachen Informations-Abfragen oder der investigativen Recherche hin zur dialogorientierte Suche (engl. conversational search, Anm. d. Red.). Es entsteht eine “Beziehung” zwischen Mensch und Maschine, die auf einem Frage-Antwort-Spiel basiert. In zwei Jahren hat sich die Intention deutlich verändert: Für den Nutzer geht es nicht mehr darum zu suchen, sondern individuell relevante Inhalte zu finden. Die Erwartungshaltung: Der intelligente Assistent “kennt” seinen Besitzer und weiß, was er braucht und möchte – wie ein sehr enger Freund. In der nahen Zukunft entfällt der Suchprozess durch den Menschen vielleicht ganz. Stattdessen ermittelt eine Maschine die Wahrscheinlichkeit, dass ein Produkt gefällt oder benötigt wird und bestellt dieses dann eigenständig.
Visuelle Entdeckungsreise von Pinterest, Quelle Pinterest Newsroom
Suchintention “Entdeckung”: Die Welt als Bilderbuch
Es ist es kein Zufall, dass aktuellere Sprachassistenten mit Bildschirm und Kamera ausgestattet sind (etwa der Amazon Echo Spot). Der visuelle Input als Suchbegriff kann ebenso investigativ verwendet werden wie Sprache oder Text. Die Bild- oder visuelle Suche z.B. via Smartphone-Kamera erlaubt ein schnelles und intuitives Entdecken von Informationen, unmittelbar nach der Inspiration. Die Transaktion steht hier vorerst im Hintergrund. Vielmehr geht es darum Neues oder Unbekanntes kennenzulernen. Die App Blippar macht vor, wie das funktionieren kann: Als eine Art Wikipedia-Bilderbuch liefert das britische Unternehmen weiterführende Einsichten in Echtzeit. Wenn der Übergang zwischen Wissensgewinnung und Transaktion genauso intuitiv und bildgesteuert ist, kann die visuelle Suche zum Kauf führen. Voraussetzung ist jedoch eine nutzerfreundliche Brücke vom Bild zum Shop. Die US-amerikanische App Screenshop ist ein Vorreiter auf diesem Gebiet und bietet eine mühelose Verbindung zwischen Instagram und dem Einkaufswagen an.
Bis 2020 sollen 50 Prozent aller Suchen sprachgesteuert oder visuell sein, schätzt das US-amerikanische Unternehmen für Messungen und Analysen ComScore. Dies bedeutet, dass die klassischen drei Suchintentionen – Navigation, Information und Transaktion – weiterhin relevant bleiben. Die kommerzielle Recherche oder Investigation gewinnt zusätzlich an Bedeutung und sollte in jeder Content-Strategie berücksichtigt werden. Die auf künstlicher Intelligenz basierenden Technologien bringen außerdem neue Intentionen ins Spiel: Entdeckung und Konversation. Ob oder wohin ein User im Web surft, kann vom visuellen Entdeckungsprozess abhängen. Im selben Atemzug bekommt der Suchende alle Informationen, die er in diesem Mikro-Moment benötigt. Daraus resultierende, individuelle Anfragen können in einem Dialog mit einem intelligenten Assistenten geklärt werden.
Fazit: Was Marketing-Experten wissen sollten
Personalisierung hat nichts mehr mit Personas zu tun, sondern mit dem Such- und Kaufverhalten des einzelnen Individuums. Maschinelles Lernen löst die Gruppierung von Kunden ab und ermöglicht maßgeschneiderte Gespräche zwischen Mensch und Maschine, die in Kaufentscheidungen resultieren. Für Marketing-Experten bedeutet diese Entwicklung, dass sie künstliche Intelligenz gezielt in ihre strategischen Überlegungen einbeziehen sollten.
Es gilt, eine Brücke für den Kunden von der Inspirationsquelle zum eigenen Content zu bauen. User Experience- und Interface Experten sind in diesem Zusammenhang die wertvollsten und hilfreichsten Kollegen. In der Regel kennen sie den Nutzer, dessen Absichten und den Weg von der Suche zum Warenkorb. Entlang der Kundenreise liefern prägnante, intelligente Inhalte direkte Antworten in jedem Kontext (holistisch) und initiieren im Idealfall einen Dialog.
Es mag banal klingen, doch ein simples Quiz ist bereits der erste Schritt in die richtige Richtung. Google erwähnt in diesem Zusammenhang lobend das Haar-Diagnose-Tool von Redken. Kurze Informationen, die auf den Punkt kommen und bequem konsumiert werden können (Stichwort Navigation), sind entscheidend.
Tom Anthony verfolgte 2016 in seinem Blogpost die richtige Spur. Hätte er den Beitrag seines Kollegen Rand Fishkin berücksichtigt, wäre seine Theorie vielleicht noch vorausschauender gewesen. Seine grundlegende Frage, wie der technische Fortschritt unser Suchverhalten beeinflusst, bleibt jedoch langfristig relevant. Da die Evolution der künstlichen Intelligenz längst nicht abgeschlossen ist, lohnt es sich das Thema Suchintention und Erwartungshaltung weiterhin zu beobachten.
Quellen
- https://blog.globalwebindex.com/chart-of-the-day/25-of-16-24s-use-voice-search-on-mobile/
- https://alpine.ai/voice-search-trends/
- https://www.stephan-czysch.de/online-marketing-tipps/keywordrecherche-tipps-seo-sea
- https://research.yahoo.com/mobstor/publication_attachments/searching-talking-analysis.pdf
- https://static.googleusercontent.com/media/research.google.com/de//pubs/archive/36340.pdf
- https://moz.com/blog/revisiting-navigational-informational-transactional-search-post-pagerank
- https://moz.com/blog/segmenting-search-intent
- https://www.thinkwithgoogle.com/consumer-insights/natural-language-searches/
- https://www.thinkwithgoogle.com/consumer-insights/personal-needs-search-trends/
- https://www.thinkwithgoogle.com/consumer-insights/local-search-mobile-search-micro-moments/
- https://newsroom.pinterest.com/en/post/search-outside-the-box-with-new-pinterest-visual-discovery-tools
- https://www.redken.com/hair-diagnostic-tool
Titelbild: DALLE 2